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Katalonien: Eine historische Analyse seiner politischen Stellung in Spanien

Katalonien: Eine historische Analyse seiner politischen Stellung in Spanien

Einleitung

Die Frage der katalanischen Unabhängigkeit hat in den letzten Jahrzehnten an politischer Brisanz gewonnen. Separatisten berufen sich häufig auf historische Argumente, um ihre Forderungen nach einem unabhängigen katalanischen Staat zu legitimieren. Doch eine sorgfältige historische Betrachtung zeigt, dass die Vorstellung von einem "seit jeher" eigenständigen Katalonien einer kritischen Überprüfung nicht standhält. Dieser Artikel beleuchtet die historischen Fakten zur politischen Entwicklung Kataloniens im Kontext der spanischen Geschichte und untersucht die Frage: War Katalonien jemals ein eigenständiger Staat in dem Sinne, wie es von den heutigen Separatisten behauptet wird?

Die römische und westgotische Zeit

Die Geschichte des Gebiets, das heute als Katalonien bekannt ist, beginnt lange vor der Entstehung einer katalanischen Identität. Nach der römischen Eroberung der iberischen Halbinsel im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde die Region Teil der Provinz Hispania Tarraconensis. Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches übernahmen die Westgoten die Kontrolle über die Region. Während dieser Epochen existierte keine separate katalanische politische Einheit – das Gebiet war Teil größerer Verwaltungseinheiten ohne eigene Souveränität.

Die Marca Hispanica: Entstehung einer Grenzregion

Mit der muslimischen Invasion der iberischen Halbinsel ab 711 n. Chr. veränderte sich die politische Landschaft grundlegend. Im Zuge der christlichen Rückeroberung (Reconquista) schuf Karl der Große Ende des 8. Jahrhunderts die sogenannte "Marca Hispanica", eine Pufferzone zwischen dem Frankenreich und dem islamischen Al-Andalus. Diese Grenzmark bestand aus mehreren Grafschaften, darunter Barcelona, Girona, Osona und Urgell. Wichtig ist jedoch: Diese Grafschaften waren keine unabhängigen Staaten, sondern administrative Einheiten unter fränkischer Oberhoheit.

Die Grafschaft Barcelona und die Krone Aragón

Im 9. und 10. Jahrhundert gewannen die Grafen von Barcelona zunehmend an Autonomie gegenüber den fränkischen Herrschern. Unter Graf Wilfried dem Haarigen (ca. 840-897) wurde die Grafschaft Barcelona de facto unabhängig vom Frankenreich, blieb aber nominell Teil davon. Ein entscheidender Wendepunkt kam 1137, als Graf Ramon Berenguer IV. von Barcelona Petronilla von Aragón heiratete. Diese dynastische Verbindung führte zur Bildung der Krone Aragón – einer Konföderation verschiedener Territorien unter gemeinsamer Herrschaft.

Hier liegt ein häufiges Missverständnis: Die Krone Aragón war keine Verschmelzung Aragóns und Kataloniens zu einem einheitlichen Staat. Vielmehr handelte es sich um eine personelle Union verschiedener Territorien, die ihre eigenen Rechtssysteme und Institutionen behielten. Die Region, die wir heute als Katalonien kennen, wurde damals als "Fürstentum Katalonien" (Principat de Catalunya) bezeichnet, war aber kein souveräner Staat, sondern Teil der Krone Aragón.

Institutionelle Entwicklung und die Generalitat

Im 14. Jahrhundert entwickelte das Fürstentum Katalonien eigene politische Institutionen. 1359 wurde die Generalitat als ständiger Ausschuss der katalanischen Cortes (Ständeversammlung) gegründet. Die Generalitat übernahm administrative und fiskalische Aufgaben, agierte jedoch immer im Rahmen der Kronherrschaft. Diese institutionelle Eigenständigkeit wird oft als Beweis für eine katalanische "Staatlichkeit" angeführt, übersieht jedoch, dass die Generalitat nie völlige Souveränität besaß. Sie fungierte vielmehr als regionale Verwaltungsbehörde innerhalb des größeren Reichsverbands der Krone Aragón.

Die Vereinigung der Kronen von Kastilien und Aragón

1479 bestieg Ferdinand II. von Aragón den Thron. Seine Ehe mit Isabella I. von Kastilien 1469 legte den Grundstein für die Vereinigung der beiden mächtigsten Reiche der iberischen Halbinsel. Diese Vereinigung wird oft als Geburtsstunde des modernen Spanien betrachtet, obwohl beide Kronen zunächst ihre eigenen Institutionen und Rechtssysteme behielten. Für Katalonien bedeutete dies, dass es nun Teil einer größeren politischen Einheit wurde, ohne jedoch seinen besonderen rechtlichen Status innerhalb der Krone Aragón zu verlieren.

Der entscheidende Punkt ist: Selbst vor dieser Vereinigung war Katalonien kein souveräner Staat, sondern Teil der Krone Aragón. Die Vereinigung änderte daher nicht den grundlegenden Status Kataloniens von Unabhängigkeit zu Abhängigkeit, sondern führte lediglich zu einer Veränderung des übergeordneten politischen Verbands.

Der Erbfolgekrieg und seine Folgen

Ein kritischer Moment in der Geschichte Kataloniens war der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714). Als König Karl II. ohne direkten Erben starb, entbrannte ein europäischer Konflikt um die spanische Thronfolge. Die Krone Aragón, einschließlich Kataloniens, unterstützte den habsburgischen Prätendenten Erzherzog Karl, während Kastilien den bourbonischen Anwärter Philipp von Anjou favorisierte.

Mit dem Sieg der Bourbonen und der Thronbesteigung Philipps V. kam es zu tiefgreifenden Veränderungen in der politischen Struktur Spaniens. Durch die Decretos de Nueva Planta wurden ab 1707 die traditionellen Fueros (Sonderrechte) der Territorien der Krone Aragón weitgehend abgeschafft. Die katalanischen Institutionen, einschließlich der Generalitat, wurden 1716 aufgelöst, und Kastiliens Recht und Verwaltungssystem wurden auf ganz Spanien ausgedehnt.

Diese Zentralisierung wird von katalanischen Nationalisten oft als "Verlust der Unabhängigkeit" dargestellt. Historisch gesehen handelte es sich jedoch um den Verlust von Autonomierechten innerhalb eines größeren Staates, nicht um den Verlust einer vorher bestehenden Souveränität. Katalonien war vor 1714 Teil der spanischen Monarchie, wenn auch mit eigenen Institutionen und Privilegien.

Das 19. und frühe 20. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert, einer Zeit des aufkommenden Nationalismus in ganz Europa, entwickelte sich auch in Katalonien ein wachsendes Regionalbewusstsein. Die Renaixença, eine kulturelle Bewegung zur Wiederbelebung der katalanischen Sprache und Kultur, legte den Grundstein für spätere politische Forderungen. Mit der industriellen Revolution wurde Katalonien zur wirtschaftlich fortschrittlichsten Region Spaniens, was das Selbstbewusstsein der katalanischen Bourgeoisie stärkte.

In der Zweiten Spanischen Republik (1931-1939) erhielt Katalonien ein Autonomiestatut und die Generalitat wurde als regionale Regierungsinstitution wiederhergestellt. Während des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) stand Katalonien auf Seiten der Republik gegen die nationalistischen Kräfte unter Franco. Nach Francos Sieg wurden die katalanische Autonomie abgeschafft und die Verwendung der katalanischen Sprache im öffentlichen Leben verboten.

Die Zeit nach Franco

Nach Francos Tod 1975 und dem Übergang zur Demokratie erhielt Katalonien 1979 erneut ein Autonomiestatut. 2006 wurde ein erweitertes Autonomiestatut verabschiedet, das jedoch 2010 vom spanischen Verfassungsgericht in Teilen für verfassungswidrig erklärt wurde. Diese Entscheidung gilt als ein Katalysator für die Stärkung der separatistischen Bewegung, die in dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 gipfelte.

Historische Wahrheit versus politische Mythenbildung

Die historische Analyse zeigt deutlich: Katalonien war nie ein unabhängiger Staat in dem Sinne, wie es von separatistischen Kräften heute dargestellt wird. Was die Region im Laufe ihrer Geschichte besaß, waren verschiedene Grade der Autonomie innerhalb größerer politischer Verbände – zunächst der Krone Aragón und später des spanischen Staates.

Der katalanische Nationalismus stützt seine Forderungen auf eine selektive und oft verzerrte Interpretation der Geschichte. Die Vorstellung von einem "historischen katalanischen Staat", der durch Kastilien unterdrückt und annektiert wurde, entspricht nicht den historischen Tatsachen. Katalonien entwickelte sich als Region mit eigener kultureller Identität und zeitweise beträchtlicher Selbstverwaltung, war aber immer Teil größerer staatsrechtlicher Gebilde.

Die rechtliche und politische Realität

Aus völkerrechtlicher Perspektive ist die Frage nach einem "Recht auf Selbstbestimmung" für Katalonien komplex. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, wie es in der UN-Charta verankert ist, wurde historisch primär im Kontext der Dekolonisierung angewandt. Es gibt keinen internationalen Konsens darüber, dass es ein unbeschränktes Recht auf Sezession für Regionen innerhalb demokratischer Staaten gibt.

Die spanische Verfassung von 1978, die auch mit überwältigender Mehrheit von den katalanischen Wählern angenommen wurde, erkennt die "unauflösliche Einheit der spanischen Nation" an, während sie gleichzeitig "das Recht auf Autonomie der Nationalitäten und Regionen" garantiert. Ein einseitiges Unabhängigkeitsreferendum steht im Widerspruch zu dieser verfassungsrechtlichen Ordnung.

Fazit

Die historische Evidenz widerspricht klar der Behauptung, dass Katalonien jemals ein unabhängiger Staat im modernen Sinne war. Was die Region im Laufe ihrer Geschichte genoss, waren verschiedene Grade der Autonomie innerhalb größerer politischer Einheiten. Die separatistische Bewegung in Katalonien stützt sich auf eine romantisierte und teilweise mythologisierte Version der Geschichte, die kritischer historischer Prüfung nicht standhält.

Dies bedeutet nicht, dass die kulturellen und linguistischen Besonderheiten Kataloniens nicht wertvoll und schützenswert sind oder dass legitime Forderungen nach mehr Selbstverwaltung ignoriert werden sollten. Es bedeutet jedoch, dass historische Argumente für eine vollständige staatliche Unabhängigkeit auf wackeligen Füßen stehen.

Die Zukunft Kataloniens sollte nicht auf historischen Mythen, sondern auf einem nüchternen Dialog über die besten politischen Arrangements für das Wohlergehen aller Bürger basieren – innerhalb des rechtlichen Rahmens des demokratischen Spaniens und der Europäischen Union. Eine realistische Betrachtung der Geschichte kann dazu beitragen, diesen Dialog auf eine solidere Grundlage zu stellen.

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